Als Daniel Ewers mich vor einigen Wochen anrief und mir vom “world´s biggest eye contact experiment” erzählte, war ich sogleich Feuer und Flamme. Genau mein Ding!
Menschen intensiv begegnen ist ja quasi meine Lieblingsbeschäftigung  – sowohl privat als  auch beruflich.

Das Experiment

Unser Vorhaben: wir setzen uns am 29.10. in die Innenstadt und bieten fremden Passanten einen einminütigen Augenkontakt an. Das Datum hatten die Initiatoren dieses weltweiten Experiments, “the Liberators” auserkoren – weltweit wollten 140 Städte am selben Tag daran teilhaben – wow!

Wer macht mit?

Wir überlegten uns, dass es gemeinsam mit anderen sicherlich noch ein bisschen mehr Spaß machen könnte. Sowohl Daniels Frau als auch mein Mann waren schnell mit an Bord. Mir war klar, dass sich auch unter den Besuchern meiner “amoChange Group” sicherlich begeisterte Mitstreiter finden würden – so war es.;-)  Also trafen wir uns zur Vorbereitung bereits ein paar Tage vor dem event. Schon beim Bemalen der Schilder und beim Besprechen der organisatorischen Dinge floss die Energie und unsere Vorfreude wuchs. Beim Schilder machen kam ich mir außerdem vor wie eine echte Aktivistin. Und das nicht ohne Grund: in gewisser Weise wollten wir ja aktiv werden: für die Verbindung unter den Menschen!

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Was verbindet uns Menschen miteinander? Lass es uns herausfinden und eine Minute lang in Augenkontakt treten! (Foto: Daniel Ewers)

Die Tatsache, dass das Event digital bereits so gut aufgenommen wurde, machte uns Hoffnung. Mehr als 1000 Leute interessierten sich bei Facebook dafür. Hoppla! Bei soviel positiver Resonanz fühlt man sich doch gleich weniger “schräg” mit einer solch einer Aktion.

Der Tag selbst

Ein bisschen aufgeregt war ich am Morgen dann aber doch. Den anderen ging es ähnlich. Viel Zeit blieb uns dafür nicht, denn nach einer kurzen Begrüßungs- und Einstimmungsrunde  (es hatten sich schon MitmacherInnen eingefunden, die wir nicht kannten) stellten wir unsere Stühle auf und legten um 11 Uhr los.

Ein Mensch nach dem anderen fand sich auf dem Stuhl mir gegenüber ein und ich nahm mir lediglich immer einen Moment zwischen den Kontakten Zeit, um mich innerlich von dem einen Menschen zu verabschieden und dem nächsten meine volle Präsenz zu schenken.
Diese Präsenz ist es, die es uns erlaubt, tief in den anderen Menschen hineinzublicken. Mit diese vollen gegenseitige Aufmerksamkeit, die wir uns schenken können, haben wir die Möglichkeit einen anderen Menschen besser kennenzulernen als wir es durch stundenlange Gespräche könnten. Und in diesem Kontakt ist vieles, auch viel überraschendes möglich!

Als ich das erste Mal dazu kam, auf die Uhr zu schauen, war es bereits 12:30. Ich verlor das Gefühl von Raum und Zeit und nahm gleichzeitig die Hintergrundgeräusche sehr intensiv wahr.

Von außen betrachtet

Ich machte eine Pause, um mir das Geschehen auch einmal von außen anzuschauen. Mir kam der Begriff “Selbstläufer”. Wir Initiatoren hatten den Anfangsimpuls gegeben und dann lief es wie von selbst. Immer mehr Menschen kamen dazu, andere verließen das Setting, es war eine schön anzusehende fließende Bewegung.

Gewiss hatte es auch eine Wirkung auf Zuschauer, die nicht mitmachen wollten, aber dennoch spüren konnten, was passiert. Vielleicht sprang der ein oder andere liebevolle Kontakt-Funke auch auf die Umstehenden über.
In jedem Fall strahlten wir Ruhe, Wärme und Gelassenheit aus. Vielleicht sogar auch eine Stärke, so dass wir den ein oder anderen, der die Sache “ein wenig aufmischen wollte”, regelrecht “absorbierten”. Konflikte kamen so gar nicht erst so recht zustande. Allerdings haben sich auch immer ein bis zwei von uns darum gekümmert, dass auch Interessierte, die nicht mitmachen wollten, aber etwas wissen wollten, ihre Fragen stellen konnten.

Tief berührt

Sehr berührend ist für mich immer wieder die Tatsache, dass der tiefe Blick in die Seele eines anderen, so viel in mir selbst auslösen kann: Freude, Schmerz, Traurigkeit…
Der Augenkontakt mit zwei jungen Frauen hat mich zu Tränen gerührt, ohne dass ich mir erklären muss, warum nun ausgerechnet diese Verbindung solch eine intensive Reaktion hervorruft. Vielleicht lag es an den gemeinsamen arabischen Wurzeln?
Es ist wie es ist.
Die Reaktionen meiner Gegenüber waren ebenso unterschiedlich.
Viele sagten wie sehr sie der Kontakt entspannt habe, andere weinten, lachten, erzählten eine Geschichte, die ihnen einfiel, berichteten von einem Menschen, an den ich sie erinnerte oder kamen zu dem Schluss “Ich habe das Gefühl, dass wir uns schon lange kennen.”

lubna

Die jordanische Studentin Lubna ist extra aus Bochum angereist! Auch mit ihr hatte ich einen besonderen Moment.

Wenn wir uns in die Augen schauen, dann lassen wir die Waffen fallen!

In einem waren wir uns wohl alle einig: es ist so leicht, ein schönes gemeinsames Erlebnis zu kreieren – sogar mit einem fremden Menschen!
Wir benötigen nur ein Gegenüber, ein klein wenig Zeit und die Bereitschaft, uns zu öffnen und sich auf den anderen einzulassen.
Das Ganze dann noch in Verbindung mit einer Gruppe zu erleben, die das selbe tut, verstärkt das Empfinden, hier mehr zu tun als “nur” mit einem Menschen in Kontakt zu treten. Wir alle konnten wohl spüren, dass hier vielleicht sogar die Antwort auf die vielen Gruselclowns, auf persönliche Dramen, auf Krieg und Terror und auf Gleichgültigkeit oder Hass liegen könnte.

Zumindest haben wir für gute Nachrichten gesorgt. 😉

Ich möchte allen, die dabei waren, von Herzen danken!

Über die Facebook Gruppe können wir in Kontakt bleiben (sende mir einfach dort eine Beitrittsanfrage oder schreib eine Mail an mail@jumanamattukat.de), um ähnliches nocheinmal gemeinsam zu erleben –  auf einer darunter liegenden Ebene sind wir ohnehin verbunden – wie schön!
Auf bald!